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Tagungsbericht der 3. Jahrestagung des Beirats für Wissenschaft und Forschung der D3G am Sigmund Freud Institut Frankfurt am Main vom 30. und 31.10.2015

Am 30. und 31. Oktober fand zum dritten Mal die Jahrestagung des Beirats für Wissenschaft und Forschung der D3G statt. Nach den beiden vorangegangenen Tagungen an den Universitäten Witten Herdecke 2013 und Frankfurt im vergangenen Jahr, wurde für das diesjährige Treffen das Sigmund-Freud-Institut als Tagungsort ausgewählt.

Wer aus dem Süden angereist war, freute sich über einen sonnigen Herbsttag in Frankfurt.

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Der Tagungsraum im ersten Stock des neu renovierten Institutsgebäudes füllte sich zügig mit einer großen Anzahl an Teilnehmern, wobei sich neben langjährigen Weggefährten auch zahlreiche neue Gesichter und junge Kollegen eingefunden hatten.

Thomas Mies, Sprecher des Beirats, bestätigte diesen Eindruck in seiner Begrüßungsansprache indem er darauf hinwies, dass dieses dritte Treffen des Beirats auch das bislang am Besten besuchte sei. Das zeigt auch, dass der Vorstand mit dem Thema der Tagung "Zur Wirksamkeit der Gruppenpsychotherapie - Neue Forschungsergebnisse" einen Nerv getroffen hat.

Weiter führte Thomas Mies aus, wie es entgegen der Ankündigung bei der vergangenen Tagung des Beirats letztes Jahr, weiter an der Erstellung eines Wörterbuchs der Gruppenanalyse zu arbeiten, zu der Programmänderung gekommen sei. So gebe es zum einen bei dem genannten Projekt durch Schwierigkeiten bei der Etablierung eines Editorial Board Verzögerungen, zum anderen sei der Beirat auf Grund der Aktualität des diesjährigen Themas nicht an einer entsprechenden Auseinandersetzung vorbei gekommen.

Es sei in der Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppentherapie zu heftigen inhaltlichen Auseinandersetzungen in Bezug auf die zukünftige Orientierung und inhaltliche Ausrichtung der Gesellschaft gekommen. Obgleich die gruppenanalytische Psychotherapie nur ein zentraler Anwendungsbereich der Gruppenanalyse sei, so Herr Mies weiter, seien allgemeine Entwicklungen auf dem Feld der empirischen Gruppentherapieforschung ausgesprochen wichtig für die D3G. Den Status quo in der Gesundheitsversorgung, in dem die Gruppentherapie lediglich ein Anhängsel der Einzeltherapie, zahlenmäßig deutlich unterrepräsentiert und der Ausbildungsstandard der Gruppentherapeuten gering sei, bezeichnete Thomas Mies als unbefriedigend. Diesbezüglich stünden in der D3G richtungweisende Entscheidungen an. Von der aktuellen Tagung des Beirats wünsche sich die Gesellschaft wissenschaftlichen Input für die aktuellen Diskussionen und anstehenden Entscheidungen. Dabei sei er selbst durch

jüngere Bewegungen in der Forschungslandschaft durchaus hoffnungsvoll, für die Interessen der Gruppenanalyse innerhalb der Verbandspolitik wertvolle Argumente zu erhalten. Dabei wurde nicht allen Teilnehmern ganz deutlich, worum es explizit in den genannten inhaltlichen Auseinandersetzungen und anstehenden Entscheidungen geht.

Rolf Haubl, als Leiter des Sigmund-Freud-Instituts auch Gastgeber der Tagung, wies in seiner Begrüßung auf die baulichen Veränderungen am Tagungsort hin. Maßgabe beim Umbau sei eine hohe Transparenz der Räume gewesen. Dies wünsche er sich auch für die Tagung, deren Ziel es sein müsse, die Sichtbarkeit des gruppenanalytischen Verfahrens zu erhöhen.

Als erster Referent des Nachtmittags wurde Bernhard Strauß begrüßt. Frau Lamott stellte in ihrer Einführung heraus, dass Herr Strauß neben seiner wissenschaftlichen Arbeit im Bereich der Bindungsforschung seit vielen Jahren international zu den wichtigsten Wissenschaftlern im Bereich der Gruppentherapieforschung gehöre.

Darüber hinaus habe er in den vergangenen Jahren zwei Lehrbücher "Keine Angst vor Gruppen" sowie "Gruppentherapie- ein Lehrbuch für die Praxis" herausgegeben. In Bereich der Gruppentherapieforschung liege einer seiner Schwerpunkte auf der Outcome- Forschung, in den vergangenen Jahren vorwiegend mit Hilfe von großen Metaanalysen. Ziel sei es, die gruppentherapeutische Praxis theoretisch und wissenschaftlich zu erforschen und gesundheitspolitische Entscheidungen zu begründen.

Bernhard Strauß dankte für die Einladung des Beirats. In der augenzwinkernden Bemerkung, dass es lange her sei dass er in diesem Kreis zu Gast gewesen war, klang auch für jüngere Teilnehmer spürbar an, dass in der Vergangenheit wohl schon manch kontroverse Diskussion geführt worden sein muss.

Sein Ziel für den Nachmittag sei es, im ersten Teil den State of the Art der Gruppentherapieforschung sowie im zweiten Teil Ergebnisse eines Metaanalyseprojekts seines Lehrstuhls in Jena vorzustellen.
Zunächst wies Strauß auf den Wandel der Bedeutung der Gruppen in den vergangenen 40 Jahren sowohl in Klinik als auch in der Öffentlichkeit hin. Horst Eberhard Richters Vorstellung, Gruppen könnten die Welt verändern, müsse, auch mit Hinweis auf die Diskussion in den Sozialwissenschaften vom Verschwinden der Gruppe, relativiert werden.

Allerdings zeichne eine 2015 erschienene repräsentative Befragung der Bevölkerung zur Haltung gegenüber Gruppen ein anderes Bild. So lasse sich empirisch zeigen, dass in der deutschen Bevölkerung die Haltungen und Erwartungen gegenüber Gruppen sowohl allgemein als auch im klinischen Bereich verhältnismäßig positiv seien.

Im Bereich der Gesundheitspolitik habe die Gruppentherapie zuletzt ebenfalls erheblich an Bedeutung gewonnen. Im Koalitionsvertrag der großen Koalition seien Maßnahmen zur Verbesserung und Förderung der Gruppentherapie festgeschrieben worden. Aktuell habe der gemeinsame Bundesausschuss Psychotherapie (G-BA) beschlossen, mehr Kombination von Einzel- und Gruppentherapie zu ermöglichen. Allerdings beruhe das Fortbestehen der (psychodynamischen) Gruppentherapie als Kassenleistung derzeit auf der hohen klinischen Evidenz und nicht auf einer breiten Basis empirisch abgesicherter Forschungsergebnisse. Die wissenschaftliche Fundierung der Gruppentherapie als evidenzbasiertes Verfahren sei daher für den zukünftigen Fortbestand im Gesundheitswesen unumgänglich.

Die Entwicklung der Gruppentherapieforschung lasse sich gut anhand der entsprechenden Kapitel in Bergins Handbook of Behaviour Change im Verlauf der letzten 40 Jahren illustrieren. Nach Fragen der allgemeinen Effektivität von (Gruppen-) Psychotherapie in den 70er und 80er Jahren, seien in den 90er Jahren vor allem störungsspezifische Gruppen untersucht worden. Aktuell dominiere Forschung zu spezifischeren Wirkmechanismen. Im aktuellen (2013) systematischen Review zeige sich zusammenfassend, dass sich die Wirksamkeitsbelege für einige Störungsbilder, v. a. im Bereich der Persönlichkeitsstörungen und der Suchttherapie, im Vergleich zur vorausgehenden Auflage (2004) deutlich verbessert hätten und dass es mehr und qualitativ hochwertigere Studien gebe. Allerdings seien die Befunde noch nicht so solide fundiert wie im Bereich der Einzeltherapie.

Einige für die Aufwertung der Gruppenpsychotherapie sicherlich günstige Entwicklungen seien in Bezug auf die Veränderungstheorie (mehr Studien zu psychodynamischen Gruppen), auf die Struktur (mehr diagnostisch gemischte Gruppen), auf Patientenmerkmale (Bildungsstufe, Alexithymie) sowie auf Gruppenprojekte zu verzeichnen, die unabhängig von der Diagnose an maladaptiven Beziehungsmuster arbeiten. Der letzte Punkt zeige einen generellen Trend im englischsprachigen Raum, die Bearbeitung maladaptiver Beziehungsmustern - auch in verhaltenstherapeutischen Verfahren - ins Zentrum von Psychotherapie zu stellen.

Ein systematisches Review zu psychodynamischen Gruppen sei in England von Blackmore et al. (2011) durchgeführt worden. Dieser konnte feststellen, dass psychodynamische Gruppen anderen Verfahren nicht unterlegen seien.
Unverzichtbar sei es in der empirischen Forschung inzwischen, das Vorgehen transparent, also von unabhängigen Beobachtern als verfahrenstypische Intervention erkennbar zu machen, was Manualisierung unumgänglich mache. Als gelungenes Beispiel stellte Strauß die Arbeit des Norwegers Steinar Lorentzen vor, der differenzierte und konkret manualisierte gruppenanalytische Langzeit- mit Kurzzeitbehandlungen in einer qualitativ hochwertigen Studie verglichen hat. Dabei war der wesentliche Unterschied der

verglichenen Behandlungen ein supportiver Ansatz in den Kurzzeitbehandlungen gegenüber eines stärker interpretativen Vorgehens bei den Langzeitbehandlungen. Lorentzen konnte zeigen, dass sowohl Langzeit- als auch Kurzzeitbehandlungen in Bezug auf Symptomreduktion effektiv waren. Weitere durchaus überraschende Ergebnisse waren, dass die Kohäsion nicht von der Dauer der Behandlung, sondern vom Gruppenleiter abhängig war. Die therapeutische Allianz war nicht von der Ausbildungsdauer des Therapeuten abhängig. In der Gruppe der Langzeittherapien kam es insgesamt zu mehr Abbrüchen, wobei Patienten mit Persönlichkeitsstörung von Langzeitbehandlungen besser profitieren konnten. Bei beiden Anwendungsformen zeigten die Dreijahreskatamnesen stabile Effekte.

Schließlich wurde bei dem inhaltlich sehr dichten und ausgesprochen kurzweiligen Vortrag die Zeit knapp. In der anschließenden Diskussion stand schnell die Frage im Zentrum, wie die Komplexität im Gruppengeschehen angemessen abgebildet werden könne. Außerdem wurde kritisch bemerkt, dass in den Studien überwiegend outcome- orientierte lineare statistische Verfahren eingesetzt würden, wogegen Gruppentherapieprozessforschung kaum vertreten sei. Problematisch dabei sei, so verschiedene Teilnehmer, dass Outcome-Orientierung auf positive Ergebnisse ausgerichtet sei und negative oder gleichbleibende wenig beachtet würden, wobei interessant sein könnte, was man gerade dadurch über die Wirkung lernen könnte. Strauß räumte Beschränkungen empirischer Gruppenforschung ein, auch dass die Konzentration auf Outcome-Orientierung zum einen durch die Komplexität der Prozessforschung bedingt sei, stellte jedoch auch klar, dass die Wirksamkeit von Verfahren nur durch randomisiert-kontrollierte Studien nachweisbar sei. Wichtig sei hierbei auch die Manualisierung dynamischer Verfahren, wie bei Lorentzen, und die Adherenz-Prüfung, ob die teilnehmenden Therapeuten auch tatsächlich verfahrensspezifisch intervenieren.

Entgegen der unter Psychoanalytikern und Gruppenanalytikern weit verbreiteten eher ablehnenden Haltung schien es an diesem Nachmittag in Frankfurt bei den Teilnehmern überwiegend Konsens, dass ambulante analytisch orientierte Therapeuten flexibel und gewinnbringend mit Manualen arbeiten können. Dieter Nitzgen berichtete in diesem Zusammenhang, dass sowohl der Review von Blackmore et al. als auch die Arbeit von Lorentzen im Kontext der Group Analytic Society International entstanden ist.

Da die Referentin des folgenden Vortrags, Jenny Rosendahl, wegen eines Trauerfalls nicht teilnehmen konnte, übernahm Bernhard Strauß kurzfristig auch den zweiten Programmpunk des Nachmittags. Thema des Vortrags war die Darstellung eines umfangreichen Metaanalyseprojekts zur Wirksamkeit von Gruppentherapie. Im Bereich der Einzeltherapie würden bereits seit 2004 nur noch Metaanalysen zur

Wirksamkeitsforschung angewendet. Metaanalysen schätzen Effekte von Interventionen aus den aus einzelnen klinischen Wirksamkeitsstudien abgeleiteten Effekten. Dabei liege der Effekt von Psychotherapie mit einer Effektstärke von 0.8 in einem sehr guten Bereich. Zur verbesserten Anschaulichkeit fügte Strauß hinzu, dass der Effekt von Bypass-Operationen nach Herzinfarkten bei 0.7 liege.

Auffallend sei auch hier der Trend, dass es in jüngerer Vergangenheit eine hohe Anzahl qualitativ hochwertiger Studien gebe. Allerdings sei das Übergewicht kognitiv- behavioraler Verfahren enorm. So liege im Bereich der Angststörungen das Verhältnis von CBT zur psychodynamischen Studien bei 48:1, im Bereich der Zwangsstörungen wurden gar keine psychodynamischen Studien gefunden, das günstigste Verhältnis existiere mit 14:2 bei den Persönlichkeitsstörungen.

Für Gruppentherapie als Verfahren konnten hohe Effektstärken im Vergleich mit der Standardbehandlung (meist psychiatrische Grundversorgung) gefunden werden. Gruppentherapie zusätzlich zur Standardbehandlung verbessere die Effekte sogar noch. Für Gruppentherapie finde man vergleichbare Effektstärken wie für Einzeltherapie. Die Annahme, dass Gruppentherapie höhere Abbruchraten als Einzeltherapie erzeuge, lasse sich nicht bestätigen und sei laut Strauß ein Mythos. Interessant sei außerdem, dass sich die Akzeptanz beider Verfahren nicht unterscheide. Die hohe empirische Evidenz für Gruppentherapie beziehe sich allerdings vorwiegend auf kognitiv-behaviorale Studien.

In der Diskussion zeigten sich die Teilnehmer gerade über dieses Übergewicht ausgesprochen erschrocken, ebenso über die Tatsache, dass es für die gruppenanalytische Praxis in der Versorgung praktisch keine empirische Evidenz gibt. Dabei greift es meiner Meinung nach zu kurz, als Ursache hierfür nur die kulturelle Dominanz anglo-amerikanischer Studien anzuführen. Entscheidend ist aus meiner Sicht auch die Forschungspraxis an den Hochschulen mit ihrem hohen Publikationsdruck. Mit verhältnismäßig kurzen kognitiv-behavioralen Outcome-Studien lassen sich einfach schneller Ergebnisse produzieren als mit Langzeitstudien oder aufwändiger Prozessforschung.

Nach den Einwänden einiger Teilnehmer, ob es sich die Fachgesellschaft leisten könne, sich lediglich auf einen gesundheitspolitischen Fokus zu konzentrieren und der Sorge, die anderen Anwendungsgebiete der Gruppe aus dem Blick zu verlieren, stellte Pieter Hutz Herrn Strauß schließlich direkt die Frage nach den Argumenten des Verbandes auf der politischen Ebene. Welche Argumentationslinie rate Herr Strauß den Vertretern der Gruppenanalyse als Heilbehandlung bei der vorhandenen schwacher Studienlage beim gemeinsamen Bundesausschuss?

Strauß stellte dar, dass die Studienlage bei psychodynamischer Einzeltherapie recht gut sei; davon profitierten auch die deutlich schlechter erforschten Langzeittherapien.

Außerdem würde man auf politischer Ebene die Effekte der Einzeltherapien auf die Gruppentherapien übertragen. Daher, so Strauß, überlebe gegenwärtig auch die Gruppenanalyse wegen der relativ guten Studienlage bei psychodynamischer Einzeltherapie.

Der Fachgesellschaft rate er, deutlicher zu Forschung im Bereich länger, analytisch orientierter Gruppenbehandlungen zu motivieren und deutlich offensiver auf den Mangel an guten Studien in diesem Bereich aufmerksam zu machen. Außerdem empfahl Strauß, auf politischer Ebene für die Förderung von Gruppentherapieforschung einzutreten. Eine repräsentative Langzeitstudie über die Alltagspraxis wäre aus seiner Sicht beispielsweise Gold wert.

Hilfreich könnte dabei der Hinweis auf den Erhalt der Vielfalt an Behandlungsoptionen, - methoden und – settings für die Vielfalt an Patienten sein. Dies sei aus seiner Sicht gesundheitspolitisch schlüssig.
Die Stellschraube für einen höheren Stellenwert der Gruppentherapie unter den praktisch tätigen Kollegen sehe er am ehesten bei der Psychotherapieausbildung. Dabei schien es überwiegender Konsens der Teilnehmer zu sein, dass Kandidaten und Assistenzärzte unzureichend ausgebildet seien, bevor sie in ihrer klinischen Tätigkeit Gruppentherapien durchführen würden. Dies führe immer wieder zu Traumatisierungen junger Kollegen. Hier könne sich der Fachverband für eine stärkere Verankerung der Gruppentherapie bereits in der Grundausbildung einsetzten. Dies gelte umso mehr, wenn es, wovon Strauß ausgeht, zur Direktausbildung im Bereich der Psychotherapie kommen werde. In einem pessimistischen, aber durchaus nicht unrealistischen Szenario sehe er, ob man das nun befürworte oder nicht, perspektivisch in zwanzig Jahren eine einheitliche Psychotherapie.

Wofür sich vor dem Hintergrund des Inputs vom ersten Tagungstag zu streiten lohnt, sind daher längere gemischte Gruppen mit denen man analytisch arbeiten kann.

Nach dem Forschungsüberblick vom Freitag wurden am Samstag konkrete wissenschaftliche Arbeiten vorgestellt. Als erste Referentin begrüßte Herr Haubl Frau Tanja Brand aus der Arbeitsgruppe um Ulrich Schultz-Venrath als junge Wissenschaftlerin, die sowohl praktisch tätig sei als auch wissenschaftlich arbeite. Die dargestellte Arbeit sei im Vorjahr durch ein Stipendium des Beirats für Wissenschaft und Forschung gefördert worden.

Hierfür bedankte sich Frau Brand in ihrer Einleitung. Sie freue sich, in diesem Rahmen erste Ergebnisse ihrer Studie präsentieren zu können. In ihrer Arbeit habe sie mentalisierungsbasierte Gruppentherapie (MBGT) mit psychodynamischer Gruppentherapie (PDGT) verglichen.

Ziel der Studie sei neben eines Wirksamkeitsnachweises von mentalisierungsbasierter Gruppentherapie in Bezug auf die Symptomatik im Vergleich mit psychodynamischer

Gruppentherapie auch Prozessanalysen und das Erlangen von Wissen über die Wirkweise aus Patientensicht. Für die MBGT wurde das Manual einer Implementierung der MBT ins Gruppensetting nach Karterud verwendet. Die psychodynamischen Gruppen folgten dem bereits oben beschriebenen Manual von Lorentzen und Kollegen.

Durchgeführt wurde die Studie im klinischen und tagesklinischen Setting in Bergisch Gladbach mit vier Therapiegruppen pro Woche.
Bei der MBGT lag der Fokus auf Mentalisierungstechniken, insbesondere einer speziellen Fragetechnik, bei der PDGT lag der Fokus auf Konflikten, unbewussten Inhalten und deren Deutungen. Nach vielleicht etwas zu ausführlicher Darstellung der Durchführung, Methode und der deskriptiven Statistik der Stichprobe präsentierte Frau Brand interessante Ergebnisse.

Die Hypothese, dass es in der MBGT im Vergleich zur PDGT zu einer höheren Symptomreduktion komme, hat sich nicht bestätigt. Beide Verfahren führen zu einer signifikanten, etwa gleich starken Symptomreduktion.
Die Hypothese, dass Teilnehmer der MBGT-Bedingung im Vergleich mit der PDGT eine bessere Mentalisierungsfähigkeit entwickeln, bestätigte sich lediglich für den Bereich der Affektwahrnehmung, im Bereich der sozialen Kognitionen ergaben beide Verfahren ähnliche Veränderungen.

Auch für die Hypothese, dass Probanden der MBGT Bedingung eine höhere Verbesserung in den interpersonellen Beziehungen aufweisen, konnte sich nicht bestätigen. Hier gab es allerdings ebenfalls in beiden Bedingungen signifikante Prä-Post Unterschiede.

In der anschließenden Diskussion wurde das aufwändige Forschungsprojekt mit seinem naturalistischen Design gewürdigt. Als nächster Schritt wurde die Idee einer gezielten Zuweisung von Patienten entwickelt, die Zielgruppe der MBT seien. Dadurch wären eventuell bessere Effekte der MBGT zu erwarten.

Allerdings wurde auch die Sorge laut, dass man sich in Differenzierungen innerhalb der psychodynamischen Verfahren verliere. Ulrich Schultz-Venrath erläuterte, dass dieser Vergleich auch der Tatsache zu verdanken sei, dass man keine VT Kliniken mit vergleichbarem Setting gefunden habe. Außerdem sei eine Differenzierung zur Entwicklung des Verfahrens der MBGT wichtig gewesen.

Als zweite Referentin des Vormittags wurde Frau Dagmar Hecke, auch sie eine junge Kollegin, die in ihrer Arbeit Forschung und Praxis verbindet, von Hermann Staats vorgestellt. Frau Hecke untersucht in ihrer Arbeit Daten desselben Forschungsprojekts, konzentriert sich dabei jedoch auf Veränderungsprozesse der Probanden. Dadurch erwarte sie ein besseres Verständnis des Einflusses von Prozessparametern auf das Ergebnis. Zu diesem Zweck fokussiert sich die Arbeit auf die Gruppenkohäsion der beiden Vergleichsgruppen (MBT, PDGT) mit Hilfe des GCQ- S, eines etablierten Instruments zur

Messung des Gruppenklimas, mit den Unterskalen Kohäsion (therapeutisches Bündnis), Konflikt, und Abhängigkeit / Vermeidung, den sie über den Verlauf der Erhebung in regelmäßigen Abständen bei allen Probanden erhoben hat. Aufgrund der großen Fülle von Ergebnissen und der sehr dichten Darstellung kann ich an dieser Stelle nur einige Ergebnisse referieren.

Als erstes interessierte vor allem die Frage, ob sich in beiden Vergleichsgruppen Unterschiede in Kohäsion, Konflikt, Abhängigkeit/Vermeidung feststellen lassen.
Solche Unterschiede ließen sich bei den Unterskalen Kohäsion und Konflikt nicht feststellen. Allerdings konnte eine signifikant höhere Vermeidung / Abhängigkeit bei den Teilnehmern der PDGT festgestellt werden.

In der weiteren Analyse der Ergebnisse betrachtete Frau Hecke einzelne Verläufe in Abhängigkeit von den Unterskalen des GCQ-S. Dabei konnte sie, mit einer sehr intuitiven Methode, insgesamt sieben Verlaufstypen identifizieren. Interessant war, dass in der MBGT-Gruppe eingangs höhere Konfliktwerte erreicht werden, was Frau Hecke so interpretierte, dass das etwas konfrontativere Vorgehen in der MBGT Bedingung anfänglich wohl ängstigender erlebt wird.

Weiter konnte Frau Hecke einen deutlichen Einfluss des Gruppenklimas auf den Therapieerfolg zeigen. Ein interessantes Ergebnis hierbei war, dass sich bei erfolgreichen Patienten in der PDGT-Bedingung die Beziehung zum Gruppenleiter im Verlauf verändert, während in der MBGT-Bedingung das Gruppenklima über den gesamten Verlauf konstant blieb.

Das durchschnittliche Konflikterleben war dabei erstaunlicherweise nicht von der Mentalisierungsfähigkeit der Probanden abhängig. Außerdem fand Frau Hecke Hinweise sowohl auf ein unterschiedliches Gruppenklima in Bezug auf das Konflikterleben zu Beginn der Behandlungen, als auch Unterschiede in den Trennungsphasen bei erfolgreichen Patienten.

In der anschließenden Diskussion wandte Oliver König ein, dass in der dargestellten Art von Forschungsdesigns lediglich verschiedene individuelle Prozesse, jedoch kein Gruppenprozess erfasst werde. Eine spannende Entdeckung während der gemeinsamen Auswertung berichtete Frau Brand: So zeige sich beim Übereinanderlegen der graphisch dargestellten Werte des Gruppenklimas über die Zeit deutliche synchrone Ausschläge, die sie als „Herzschlag“ der Gruppe bezeichnete. Dies wurde von den Teilnehmern ausgesprochen interessiert diskutiert.

Beim gemeinsamen Abschluss wurden nochmals diskutiert, wie Gruppentherapie innerhalb der Gesundheitspolitik besser gefördert werden könne und welche Argumentationslinie beispielsweise dem GB-A gegenüber vertreten werden solle. Als wichtige Idee wurde nochmals die Investition in ein Ausbildungscurriculum

Gruppentherapie im stationären Bereich festgehalten. Weiter wurden die Schwierigkeiten, aber auch die Chancen von gemeinsamer. Forschung mit den Krankenkassen, insbesondere bei der Untersuchung von Therapiewiederholern diskutiert.
Thomas Mies fasste abschließend zusammen, dass er als Erkenntnis der Tagung mitnehme, dass sich der Anhängselcharakter der Gruppentherapie in der aktuellen Forschungslage widerspiegle. Die Tatsache, dass die Wirksamkeit für psychodynamische Gruppentherapie im Vergleich mit anderen Verfahren nicht empirisch belegt sei, habe für ihn die Dringlichkeit der Erforschung der ambulanten Praxis gezeigt. Eine Trennung von Gruppenanalyse und psychodynamischen Therapien halte er nicht für sinnvoll.

Das aktuelle Dilemma in Bezug auf die Vertretung einer eigenständigeren Position der Gruppenanalyse sei, dass die Gruppentherapie gesundheitspolitisch von der Einzeltherapie, die in ihrer Effektivität empirisch bestätigt ist, abhänge.
Dabei war es Herrn Haubl nochmals ein Anliegen festzuhalten, dass bei allen gesundheitspolitischen Fragen die Gruppentherapie nur ein Anwendungsfeld der Gruppenanalyse sei und für die Gruppenanalyse nicht nur klinische Fragestellungen, sondern auch andere soziale Praxisfelder relevant seien. Hier wünsche er sich eine weitere Diskussion. Diese Anregung wurde in der Diskussion über das Thema der nächsten Jahrestagung mit dem Vorschlag aufgegriffen, die Rolle der Gruppenanalyse an den Hochschulen für Soziale Arbeit ins Zentrum zu rücken. An diesen Hochschulen sind relativ viele Gruppenanalytiker/innen als Lehrende tätig. Außerdem wurden verschiedene mögliche Referenten ins Gespräch gebracht. Abschließend wertete Herr Mies die Tagung als Erfolg. Er werde sich als Sprecher dafür einsetzen, dass ihre Informationen und Gesichtspunkte auch in der Diskussion des nächsten `FORUMs GRUPPENANALYSE‘ Berücksichtigung finden, und er sei sich sicher, dass sie eine Bereicherung sein werden. Dieses Forum wird gleichfalls das Verhältnis von Gruppentherapie und Einzeltherapie thematisieren und findet am 20. Februar 2016 in Hannover statt.

Mein Eindruck über die vergangenen Tagungen war, dass die Diskussionen intensiver und dichter werden und inhaltlich vorangehen. Die eingangs angedeuteten anstehenden Entscheidungen interpretierte ich für mich im Verlauf der Tagung als Ausdruck einer Auseinandersetzung über das Verhältnis von klinischer und nichtklinischer Gruppenanalyse innerhalb der D3G.

Etwas vermisst habe ich bei der gruppenanalytischen Tagung einen Austausch nicht ausschließlich in den spezifischen Diskussionen, sondern auch in einer offenen Gruppensituation. Gerade Teilnehmern, die in der Gruppe der D3G noch nicht etabliert sind, würde dies die Integration etwas erleichtern. Sehr wohltuend erlebte ich die zeitliche Struktur des Beginns am Nachmittag und der Weiterführung am nächsten Vormittag, die Raum für Gespräche und zur Bewegung des Aufgenommenen über Nacht bot.

Insgesamt empfand ich die Tagung für die Fülle der doch teilweise sehr ausführlichen, detailreichen und spezifischen Informationen unerwartet spannend und kurzweilig. Mit viel Gewinn an Neuem verabschiedete ich mich in der Zuversicht, dass der intensive Diskurs über Gemeinsamkeiten und Unterschiede so lebhaft weitergeführt werden wird.

Michael Nerad, Reichenau 

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