Mit fassungloser Erschütterug müssen wir begreifen lernen, dass unser Kollege und engster Freund Dr. Josef Zierl sein erfülltes Leben nach extrem kurzer und schwerer Erkrankung beenden musste und am 05.05.2024 im Kreis seiner Familie und Freunde friedlich für immer eingeschlafen ist. Wir trauern um einen Mann, der seine milde Güte und seine nie nachlassende Fähigkeit zur Empathie und Perspektivenwechsel zeitlebens in den Dienst der seelischen Entwicklung an derer stellte.
Gerüstet mit einem Doppelstudium der Medizin und der Philosophie entschied er sich für die Facharztausbildung für Psychosomatische Medizin und sammelte im Klinikum Haar reichlich klinische Erfahrung, bevor er den Weg zur MAP und zur Psychoanalytischen Ausbildung fand. Seit über drei Jahrzehnten wirkte er als niedergelassener Analytiker für Erwachsene im Einzel- und später auch im Gruppensetting. Damit nicht genug. Er stand all die Jahre in verschiedenen Funktionen dem Allgemeinwohl des Instituts zur Verfügung. Als Dozent, als langjähriger Mitarbeiter in der Institutsambulanz, als Lehr- und Kontrollanalytiker in der Ausbildung der jungen Kolleg*innen, als Mitglied im APA, als Leiter der GT-Abteilung und zuletzt noch immer als Dozent in der GT-Abteilung. Er engagierte sich außerhalb der MAP als Gruppenselbsterfahrungsleiter und war in seiner Expertise Interviewpartner für den Spiegel und Autor zahlreicher Artikel mit dem inhaltlichen Schwerpunkt auf das Thema Scham.
Mit ihm einen Diskurs zu führen war inhaltlich und kommunikativ ein Erleben, das in der derzeitigen, eher zur Unterkomplexität neigenden gesellschaftlichen Kommunikationskultur Seltenheitswert hatte. Letzteres ein Umstand, den er nicht müde wurde zu bedauern, den er aber gleichzeitig auch immer wieder versuchte zu verstehen. Sein profundes Wissen und sein intuitives Verständnis von unbewussten Prozessen in Gruppen waren ihm Anliegen und Un terstützung bei der Begleitung von Gruppen in unterschiedlichen Kontexten. Wir trauern um einen Kollegen, in dessen Hände und Obhut man getrost Verwundete und Wissbegierige geben konnte und sie dort sicher aufgehoben wusste.
Wir trauern um einen Freund, der liebevoller und loyaler nicht hätte sein können. Wir trauern um einen liebenden und fürsorglichen Ehemann, Familienvater und Großvater, dessen Pläne für das familiäre Miteinander viel zu früh durchkreuzt wurden. Wir trauern um Josef, der für alle, die ihn kannten, eine Lücke im Leben hinterlässt, die wir hoffentlich irgendwann mit den vielen guten Erinnerungen und in Dankbarkeit für die Zeit, die wir mit ihm hatten, schließen können.
Noch erscheint das unvorstellbar, aber er würde uns darin unterstützen und vertrauen.
Elisabeth Heidtmann
Eckhard Frick
"Der Tod des Anderen ist kein Unglück für den, der stirbt, sondern für den, der überlebt."
Karl Marx (in Anlehnung an Epikur), zitiert aus Thomas Auchter, "Trauer", (2019, p 21)
Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb am 20. Januar 2024 unser geschätztes Mitglied, Thomas Auchter. Die Psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf verliert mit ihm einen engagierten Kollegen, der sich bei allen Kontroversen stets durch Aufrichtigkeit und Mut auszeichnete. Sein plötzlicher Tod hat ihn aus einem aktiven Institutsleben herausgerissen. Einige seiner Projekte müssen nun ohne ihn, aber in seinem Sinne fortgeführt werden.
Thomas Auchter wurde 1948 als ältestes von 4 Kindern seiner Eltern Wolfgang und Hildegard Auchter in Berlin geboren. 1962 siedelte die Familie nach Freiburg um. Dadurch, dass sein Vater nicht nur Psychoanalytiker, sondern einer der Gründer des Freiburger Psychoanalytischen Seminars (DPV) war, kam Thomas Auchter schon früh mit der Psychoanalyse in Berührung, studierte später Psychologie und absolvierte anschließend auch die psychoanalytische Ausbildung am Freiburger Seminar. 1982 verließ er Freiburg und zog zusammen mit seiner Frau Elisabeth nach Aachen. Seitdem ist er Mitglied und seit November 2008 Lehranalytiker der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf gewesen.
Die Verbreitung psychoanalytischen Wissens und therapeutischer Erkenntnisse, auch unter Nicht psychoanalytikern, lag ihm sehr am Herzen. Regelmäßig hielt er Seminare an Volkshochschulen bzw. in der "Wolfsburg", einem Fortbildungszentrum in Mülheim/Ruhr. Seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge in gut verständlicher Sprache zu formulieren, machte ihn zu einem gefragten Vortragenden. Darüber hinaus verfasste er eine Vielzahl von Aufsätzen und Büchern, z.B. "Kleines Wörterbuch der Psychoanalyse (gemeinsam mit Laura Viviana Strauss) 2003, "Brennende Zeiten", (zur Psychoanalyse sozialer und politischer Konflikte 2012) und "Trauer" (2019). Die Auseinandersetzung mit dem britischen Psychoanalytiker und Kinderarzt Donald Winnicott hat sein ganzen fachliches Leben begleitet und so ist das letzte Werk von Thomas Auchter, das im Frühjahr 2024 erscheinen wird, "Winnicott verstehen - Eine Einführung in seine psychoanalytischen Konzepte".
In der psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf engagierte er sich in regelmäßigen Seminaren in der Aus- und Weiterbildung von angehenden Psychoanalytikern und Gruppenanalyti kern. In regelmäßigen Übungsseminaren zum Schreiben von Fallberichten (für das Zentralseminar bzw. das Kolloquium) legte er Wert darauf, junge Kolleg:innen gerade auch gegen Ende ihrer Aus und Weiterbildung zu begleiten. Er selbst würde in Anlehnung an Winnicott dabei wohl von „einer eher aktiv-fordernden Funktion“ des „sekundären Haltens“* sprechen. Ganz besonders lag ihm der Arbeitskreis Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie mit seinen Anliegen am Herzen. Noch vor wenigen Monaten hat Thomas in einer prekären Situation, selbst unerschrocken und beharrlich, Stellung bezogen und dem Arbeitskreis so zu einer hoffnungsvollen Weiterentwicklung verhol fen, die er selbst vermutlich als „selbstbewusste und selbstbestimmte Aktivität“* bezeichnen würde.
Aber auch die Entwicklung der Institution der Arbeitsgemeinschaft lag ihm sehr am Herzen. Insbe sondere, als die Arbeitsgemeinschaft unter heftigen generativen Konflikten litt, die zu der späteren Spaltung des Ausbildungsausschusses in zwei Ausschüsse geführt haben, setzte er sich vehement für eine andere Entwicklung ein, bei der diese Spaltung vermieden werden sollte. Auch später war ihm der Ausgleich zwischen den verschiedenen Gruppierungen immer sehr wichtig. Geleitet wurde er immer von einem hohen moralischen Anspruch sich selbst und anderen gegen über. Das machte ihn zwar immer wieder zu einem unbequemen Kollegen, der es auch sich selbst nicht leicht machte, anderen natürlich ebenso wenig. Aber es war stets Verlass auf seine Geradlinigkeit. Und "bequem" zu sein, wäre wohl das letzte gewesen, was Thomas hätte sein mögen.
Denn die Bedeutung des präsenten Objekts sah Thomas Auchter in der „Notwendigkeit des Wider standes“, von der er selber sagte „Ohne ein wirkliches Gegenüber, ein Nicht-Ich, ein Objekt, das einen Widerpart und Widerstand anbietet, von dem ich mich abgrenzen und ablösen kann, ist eine Individuation…nicht möglich“*
Mit traurigen Gefühlen danken wir Dir, lieber Thomas!
Fotini Tilkeridou-Wolf und Thomas Hartung
*Thomas Auchter „Fest halten ohne festzuhalten“, in Psychoanalyse als Beruf, S. 390 Publikation der DGPT, Psychosozial Verlag
Herr Dr. med. Mohammad Ebrahim Ardjomandi ist am 11.8.2023 im Alter von 91 Jahren verstorben.
Herr Ardjomandi war Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychoanalytiker und leitete bis 1997 den Funktionsbereich „Klinische Psychotherapie Erwachsener“ in der Klinik Tiefenbrunn bei Göttingen und war als Lehranalytiker und Supervisor über viele Jahre im Lou-Andreas-Salomé-Institut in Göttingen tätig. Er war langjähriges Mitglied, Ehrenmitglied, Dozent und Gruppenlehranalytiker der Arbeitsgemeinschaft Gruppenpsychotherapie und Gruppenanalyse in Göttingen. Über viele Jahre hat er sehr engagiert und mit hoher Kompetenz Weiterbildungsgruppen geleitet, in den Fortbildungswochen mitgearbeitet und Kolleginnen und Kollegen daran teilhaben lassen, wie er in Gruppen arbeitete. Seine Art und Weise, analytische Gruppentherapie zu leiten, und insbesondere seine Bereitschaft, die Übertragung anzunehmen, war für viele von uns anregend und lehrreich. Seine persischen Wurzeln und seine eigene Erfahrung als „Fremder“ in Deutschland hatten seinen Blick dafür geschärft, wie wichtig der kulturelle Hintergrund für das Verständnis des anderen ist. Viele Jahre hat er sich als Vorsitzender der Sektion „Analytische Gruppenpsychotherapie“ im DAGG für die Gruppenpsychotherapie in Deutschland eingesetzt und sich anschließend bei der Gründung der D3G engagiert. Seine Neugier und seine Leidenschaft für die Gruppentherapie führten zu vielfältigen Kontakten mit anderen Gruppentherapeuten, von denen er lernte und die er anregte. Er war viele Jahre als Gruppenleiter bei den Workshops der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Gruppenanalyse in Altausee tätig. Besonders am Herzen lag ihm die Herausgabe des „Jahrbuchs für Gruppenanalyse und ihre Anwendungen“, weil ihm der Austausch und die Diskussionen der Gruppenpsychotherapeuten wichtig war.
Seine Lebendigkeit, sein Humor, seine Klugheit und seine Neugier zeichneten ihn als Gruppenanalytiker, Lehrer und Kollegen aus.
Wir haben viel von ihm gelernt und werden sein Andenken bewahren.
Für die „Arbeitsgemeinschaft Gruppenpsychotherapie und Gruppenanalyse“
Andreas Dally und Dr. med Ole Falck
Vorstand der AGG
Josef Shaked wurde als Spross einer jüdischen Familie 1929 in Ungarn geboren. Der Vater war ein überzeugter Zionist und nahm 1933 angesichts der nationalsozialistischen Bedrohung die Gelegenheit wahr, mit der Familie nach Palästina auszuwandern. Josef (Jossi) Shaked machte dort das Abitur und kämpfte als Soldat als 19-Jähriger im Israelischen Unabhängigkeitskrieg. Im neugegründeten Staat gab es keine medizinische Fakultät. Jossi ging daher nach New York, wo er zunächst Biochemie studierte. Nach dem Abschluss mit dem B.Sc. ging er zum Medizinstudium nach Wien, um später Psychoanalytiker zu werden. Er hatte schon als Gymnasiast Schriften Freuds in hebräischer Sprache gelesen. Bei seinen verschiedenen Jobs in New York entwickelte er Gespür und Vorliebe für die Arbeit in spannungsvollen Gruppen.
Ich selbst lernte ihn im Rahmen der gruppenanalytischen Weiterbildung zusammen mit Alice Riccardi-v.-Platen bei der gemeinsamen Teilnahme in Selbsterfahrungsgruppen an der Group-Analytik Society in London kennen. Alice hatte von ihren Großeltern ein Haus in Altaussee / Österreich geerbt, wo wir die Internationale Arbeitsgemeinschaft für Gruppenanalyse - IAG - begannen. Jossi entwickelte ein besonderes Engagement für die Arbeit mit Großgruppen in Anwendung der Theorie der Massen und der Gesellschaft von Sigmund Freud auf die Selbsterfahrungs- und Beziehungsprozesse bei unseren Teilnehmenden. Diese Thematik bildete auch einen der Schwerpunkte in seiner Lehrtätigkeit an der Universität Klagenfurt, worüber er eine Reihe von interessanten Beiträgen veröffentlichte. Die Teilnehmer*innen genossen ihn als Leiter von Klein- und Großgruppen wegen seiner brillianten intellektuellen Klarheit bei ausgeprägter Herzlichkeit und reichem Humor. In seiner oft witzigen Art schöpfte er aus einem großen Repertoire an jüdischen Erzählungen und Witzen. In Altaussee haben wir Jossi Shaked in den Jahren seiner langen Krankheit schon in Trauer vermisst. Nun ist er am 21.11.2021 für immer von uns gegangen.
Prof. Dr. Michael Hayne
Nachruf auf Hansjörg Pfannschmidt
Am 13.11.2021 ist unser Kollege Hansjörg Pfannschmidt nach längerer Krankheit und unter liebevoller Begleitung seiner Ehefrau Ursula Wienberg verstorben. Er wurde 88 Jahre alt.
Geboren und aufgewachsen in Mittelfranken erkennt Hansjörg Pfannschmidt nach einer kurzen Tätigkeit als Gymnasiallehrer für Deutsch und evangelische Religionslehre, dass sein Interesse und seine Leidenschaft vor allem der Psychoanalyse und der Gruppenanalyse gelten. Er macht seine Ausbildung zum Psychoanalytiker an der Akademie für Psychoanalyse München e.V. und seine Weiterbildung zum Gruppenanalytiker bei GRAS und lässt sich in München und später in Markt Schwaben als Psychotherapeut nieder. Er wird Lehranalytiker und Supervisor und begleitet über mehrere Jahrzehnte viele Aus- und Weiterbildungskandidaten auf dem Weg zu ihrer persönlichen und beruflichen Identität.
Seine Leidenschaft für die Lehre wird in den vielen Seminaren, die er in den psychoanalytischen Instituten in München und Nürnberg hält, sichtbar und erlebbar. In zahlreichen Vorträgen und Artikeln stellt er zudem dem Publikum seine Vorstellungen und Erfahrungen zum Thema Liebe und Sexualität in der Psychoanalyse und in der Gruppenanalyse, zur Übertragung, zum Traum, und zur Religion zur Verfügung. Sein differenziertes Konzept zur Paartherapie setzt er praktisch in Paartherapiegruppen gemeinsam mit seiner Ehefrau Ursula Wienberg um.
Ich selbst hatte die Möglichkeit, Hansjörg vor allem in einer über viele Jahre gehenden Intervisionsgruppe zur analytischen Gruppentherapie kennenzulernen. Es hat mich immer wieder sehr beeindruckt, mit welcher Neugierde, mit welchem Forscherdrang sich Hansjörg bis ins hohe Alter auf die von uns berichteten „Gruppengeschichten“ eingelassen hat und wie offen er selbst für unsere Eindrücke und Überlegungen zu seinen Gruppen geblieben ist.
Der alters- und krankheitsbedingte Abschied von unserer Intervisionsgruppe und von seiner beruflichen Tätigkeit als Psychoanalytiker und als Gruppenanalytiker fiel ihm schwer, wie ihm überhaupt der Abschied vom Leben schwer fiel. Wie seine Ehefrau Ursula Wienberg mir berichtete, konnte er aber in der letzten Phase seines Lebens immer mehr darüber sprechen und schließlich in Ruhe und Frieden gehen.
Josef Zierl (München)
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